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No.6 Duty Rules Work Wage

Tobias Ertl, Katrin Lehnert, Jacob Schenck, Lise Soskolne

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[EN] Pious children of today are no longer taught to prevent trouble but to become aware of their own skills and to turn into a vibrant and aspiring labor power. Early on in life, achievements are registered, abilities are evaluated and characters assessed. Copy- ing is forbidden, group exams are inappropriate, age and educational levels are kept separate from each other. The individuals’ performance is all that matters, personalized support is the path to success. What is learned is to commit with heart and soul. Those who do not feel fulfillment in work have not found it yet. For those who do so, the question of meaning seems resolved. But the subtle difference between devotion and submission cannot be answered with the question of faith, it lies in the distinction between those who are entitled and those who are not. And yet, it is precisely in the refusal of such division where devotion can be newly drawn. It happens in the moment when Huey, Dewey and Louie wear hats of the same color, when Gaston camouflages his sun lounger as a briefcase or when Harry makes friends with Dobby. Duty Rules Work Wage starts with rules that express appreciation, towards the community and oneself, and do not entail any consequences if broken. It is the Rules for the Ikon Painter that Jacob Schenck detaches from Christian imprint, that he reads through an anarchistic lens and thereby stops assisting the philanthropists. The possibility of escaping from the clutches of greed, from the machinery of surplus value, is also what Tobias Ertl understands as utopian element in art production. By withdrawing artistic labor from comparability through working time, he embarks on a speculative journey that reveals what in work is not work. However, not working is a phenomenon that appears to be highly controversial in its moral evaluation. As Katrin Lehnert points out, “doing nothing” in the paradise (for parasites) can suddenly turn from idleness to spongerism: What is not work is not paid, and who’s impoverished gets guilty of moral failure. Inside the system of individualized competition, where success is measured by payment and confused with morality, Lise Soskolne looks back on the development of the last ten years: Artists are increasingly merging with the system criticized in their demand for payment, and in their entrepreneurial spirit overlook what we have been taught to overlook.

Duty Rules Work Wage appears in dialogue with the exhibition Ikonen by Lionne Saluz, which took place at For from 02.03. to 27.04.2024.

[DE] Fromme Kinder von heute werden nicht länger daraufhin erzogen, keine Schwierigkeiten zu verursachen, sondern dahingehend, eine ihren Fähigkeiten entsprechende junge und dynamische Arbeitskraft zu werden. Ihre Leistungen werden in frühem Alter registriert, ihre Fähigkeiten erfasst und ihre Charaktere eingeschätzt. Abschreiben ist verboten, Gruppenexamen sind unerwünscht und Alters- und Bildungsstufen voneinander getrennt. Nur das, was das einzelne Kind tut, hat Bedeutung, individuelle Förderung scheint der Weg zum Ziel. Viel mehr als das Vorbeugen von Strafen wird erlernt, Freude an der Arbeit zu empfinden, sich mit Leib und Seele hinzugeben. Wer keine Erfüllung findet, hat sie noch nicht gefunden. Erfüllt die Arbeit, scheint auch die Sinnhaftigkeit geklärt. Der feine Unterschied zwischen Hingabe und Unterwerfung ist dabei nicht in der Gretchenfrage zu finden, sondern in der Aufteilung zwischen Berechtigten und Unbefugten, zwischen solchen, die den Titel tragen, und solchen, die ihn halt nicht tragen. Doch gerade in der Verweigerung dieser Aufteilung kann Hingabe neu skizziert werden: Es ist der Moment, in dem Tick, Trick und Track gleichfarbige Mützen tragen, in dem Gaston den Liegestuhl als Aktenkoffer tarnt oder Harry sich mit Dobby anfreundet. Duty Rules Work Wage beginnt mit Regeln, die Wertschätzung ausdrücken, gegenüber der Gemeinschaft und sich selbst, und mit deren Bruch keine Konsequenzen verbunden sind. Es sind die Regeln für die Ikonenmalerei, die Jacob Schenck von christlicher Prägung löst, in anarchistischer Weise deutet und dadurch der Philanthropie die Förderung entzieht. Die Möglichkeit für ein Entschwinden aus den Fängen der Gier, aus der Maschinerie des Mehrwerts, ist auch bei Tobias Ertl utopisches Element der Kunstproduktion. Indem er sie der Vergleichbarkeit durch Arbeitszeit entzieht, beginnt die künstlerische Arbeit eine spekulative Gratwanderung, die aufzeigt, was an der Arbeit keine Arbeit ist. Keiner Arbeit nachzugehen ist allerdings ein Phänomen, das in seiner moralischen Bewertung als höchst strittig erscheint. Wie Katrin Lehnert aufzeigt, kann sich ein „Nichtstun“ im Paradies (für Parasiten) sehr schnell vom Müssiggang ins Schmarotzertum verkehren: Was nicht als Arbeit zählt, wird nicht entlöhnt, und wer mittellos ist, macht sich eines moralischen Versagens schuldig. Im System individualisierter Konkurrenz, in der Erfolg mit Bezahlung gemessen und mit Moral verwechselt wird, schaut Lise Soskolne auf die Entwicklung der letzten zehn Jahre zurück: Künstler*innen verschmelzen immer mehr mit dem, was in ihrer Forderung nach Entlöhnung kritisiert wird, und übersehen in unternehmerischem Geist, was uns zu übersehen gelernt wurde.

Duty Rules Work Wage erscheint im Dialog mit der Ausstellung Ikonen von Lionne Saluz, die vom 02.03. bis 27.04.2024 bei For stattfand.

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